Motion Detection Tree

Das ebenso junge wie umstrittene interdisziplinäre Forschungsfeld der Pflanzenneurobiologie versammelt Wissenschaftler*innen, die ein neuartiges Verständnis für die Lebensformen der Flora vereint. Ihr Interesse gilt primär der Art und Weise, wie Pflanzen ihre Umgebung wahrnehmen, wie sie auf Signale reagieren und untereinander kommunizieren. Sogar von einer genuinen Intelligenz der Pflanzen ist dabei die Rede.

Im „Motion-Detection-Tree“ von Merlin Reichart scheint diese Diskussion Widerhall zu finden, auch wenn es sich bei jenem Baum, den der Künstler in das Foyer der HFBK gestellt hat, keineswegs um eine echte Pflanze handelt, deren Intelligenz folglich auch nur eine künstliche sein kann. Überhaupt wirkt Reicharts Installation wie aus einer dystopischen Welt der Zukunft entsprungen. Der robotische Baum ist aus Stahlrohren zusammengeschweißt und ragt aus einem Haufen Bauschutt heraus. An seinen vielen Ästen wächst kein einziges Blatt, er ist kahl wie im tiefsten Winter. Statt Früchten trägt er Bewegungsmelder, die mit kleinen Hubmagneten verbunden sind. Tritt man näher, beginnen sie zu ticken. Je mehr Personen sich um ihn bewegen, wird das Ticken zum Rauschen und lässt sich kaum mehr orten. Es scheint, als wolle der Baum subtil, aber dennoch bestimmt darauf hinweisen, dass er einen wahrnimmt, während wir ihn wahrnehmen. Überwachung und die immer ausgeklügelteren Formen, die diese im digitalen Zeitalter annimmt, Sicherheitstechnologien und die Gewalt, die er in diesen manifestiert sieht, beschäftigen Reichart schon seit längerem.

In seiner neuen Installation erweitert er dies um ein neues Kapitel, das vom Wettrüsten zwischen Natur und Menschheit handelt. Wer diesen Kampf letztlich überleben wird, daran herrscht kein Zweifel. Der Mensch ist es nicht. So betrachtet wirkt der „Motion-Detection-Tree“ wie ein Memento Mori in Zeiten des Klimawandels.

Beate Scheder
Hiscox Art Award 2019
HFBK Hamburg